Per Simulation zur Klimastrategie
15 Jan 2025

Als eine der ersten deutschen Städte rief Herford den Klimanotstand aus. Die WWS Herford setzt deshalb verstärkt auf die energetische Sanierung und Elektrifizierung ihres Bestands. Mithilfe einer Softwarelösung werden energetische Maßnahmen simuliert und eine Klimastrategie abgeleitet.
Angaben der gemeinnützigen Stiftung Klimaneutralität zufolge konnten die Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich seit 1990 durch die Substitution von Kohle und Heizöl um 44 % gesenkt werden. Doch nach wie vor gehen rund 35 % des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland auf das Konto von Gebäuden. Um die energetische Transformation zu beschleunigen, verabschiedete die Bundesregierung im Jahr 2020 das Klimaschutzgesetz. Dieses verlangt im Gebäudebereich Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Als Zwischenziel wird eine Treibhausgasminderung gegenüber 1990 um 65 % bis 2030 festgeschrieben. Die Immobilienwirtschaft braucht für die Umsetzung daher schnelle und effektive Klimastrategien. Die kommunale WWS Wohn- und WirtschaftsService Herford GmbH hat diese Aufgabe ganz oben auf ihre Agenda gesetzt.
Ziele festlegen
„Um die hohen Anforderungen der Gesetzgebung zu erfüllen und passende Maßnahmen in die Wege zu leiten, möchten wir eine Software nutzen, die uns möglichst wirtschaftliche Lösungswege zur Erreichung vorgegebener Klimaziele aufzeigen soll“, sagt der Abteilungsleiter Technisches Immobilienmanagement und Prokurist der WWS Herford, Morten Stiller. Anhand dieser Software wolle man die Planken für eine zukunftstaugliche Klimastrategie legen: Erst den Bestand mit allen Energiedaten aufnehmen, dann die Möglichkeiten prüfen, Techniken und Budget herausarbeiten und durchtesten, das sei der Plan, erklärt er. Mit dem Tool mevivoECO der wowiconsult GmbH wurde ein solches gefunden. Das Programm liefert eine verlässliche Emissions-Benchmark und zeigt energetische Schwachstellen einzelner Gebäude auf. Mithilfe individueller und gebäudespezifischer Klima-Roadmaps lassen sich schließlich Dekarbonisierungsmaßnahmen entwickeln. Sämtliche gesetzlichen Regelungen sind im Programm berücksichtigt und werden stetig aktualisiert. Individuelle Lösungen finden Das Gebäudeportfolio bei der WWS ist speziell: Die meisten der 3.800 Wohneinheiten wurden in den 1950er und 1960er Jahren errichtet. Nur wenige in den 1990ern. „Wir haben momentan keine Neubautätigkeiten, sondern setzen seit 2010 in erster Linie auf die Bestandsertüchtigung“, erläutert Stiller. Eine einheitliche Klimastrategie kann es allerdings aufgrund der Diversität der Liegenschaften nicht geben. Man plane daher individuelle Maßnahmen und Quartierslösungen. Bereits vor mehr als zehn Jahren habe man angefangen, die Gebäudehüllen zu optimieren und dabei Fenster, Fassaden und Dächer zu modernisieren. Als Nächstes setze man auf alternative Energietechniken bei der Wärme- und Warmwasserversorgung.
Daten sind das A und O
„Für eine nachhaltige Klimastrategie ist vor allem zuverlässiges und vollständiges Datenmaterial nötig“, betont der stellvertretende Abteilungsleiter Technisches Immobilienmanagement der WWS, Mischa Prause. Die WWS nutze für ihre Stammdaten bereits seit 2017 die Gebäudemanagement-Software mevivo. „Damit haben wir sämtliche wichtigen Gebäudedaten vorliegen und können anhand des neuen Tools mevivoECO auch Energieverbräuche und Emissionswerte ermitteln“, so der Verantwortliche für die Gebäudetechnik weiter. Die Datenerfassung für den WWS-Bestand ist bereits abgeschlossen und in Bilanzen dargestellt. Im Moment ist man noch dabei, diese Daten zu validieren. „Die eigene Bestandskenntnis muss unbedingt in die Auswertung eingebracht werden. Ein kritischer Blick auf die Ergebnisse ist äußerst wichtig“, betont auch die Beauftragte für das Nachhaltigkeitsmanagement in der technischen Abteilung der WWS, Maike Westerholt. Ergänzend dazu gelte es in Consultingterminen mit dem IT-Unternehmen Datenabweichungen zu besprechen und abzugleichen. „Dieser Prozess ist auch für die Weiterentwicklung der Software von Nutzen“, argumentiert die Expertin.
Daten liefern Entscheidungsgrundlage für Sanierungen
Nachdem alle Daten erfasst und überprüft sind, können Verbräuche und Emissionen auf Basis verschiedener technischer Voraussetzungen ermittelt und unterschiedliche Varianten durchgespielt werden. Vollautomatische Klima-Roadmaps lassen sich für einzelne Gebäude, Straßenzüge oder ganze Quartiere erstellen: Die Software errechnet auf Basis maximaler Energieverbräuche oder Budgetlimits, welche Sanierungsmöglichkeiten es gibt und welche sich lohnen. „Zuerst wollen wir die großen Ausreißer herausfiltern“, erläutert Westerholt. „Wir müssen die Gebäude mit dem größten Energieverbrauch beziehungsweise CO2 -Fußabdruck finden und schauen, ob und wie wir sie am besten und wirtschaftlichsten ertüchtigen können.“
Dabei, erläutert sie, ginge es um folgende Fragen:
- Welche Gebäude sind am sanierungsbedürftigsten?
- Welche Technik macht bei welchem Bestand am meisten Sinn?
- Was lässt die Bebauung zu?
- Was ist wirtschaftlich und was nicht?
Neue Techniklösungen ausprobieren
Es gibt bereits erste Pilotgebäude, die als Versuchsobjekte für neue Technologien bei der WWS genutzt werden. So etwa wird in manchen Liegenschaften geprüft, ob eine Infrarotheizung eine Alternative zu den mehr als 300 Elektrodeckenheizungen im Bestand sein könnte. Verschiedene Tests werden derzeit auch mit Luftwärmepumpen gefahren. „Wenn unsere Pilotprojekte positiv verlaufen, erstellen wir gebäudespezifische oder quartiersspezifische Klima-Roadmaps. Dann planen wir weiter und rollen neue Technologien aus“, resümiert der WWS-Gebäudetechnikfachmann Prause. „Unser langfristiges Klimaziel lautet: Weg vom Gas und hin zur Elektrifizierung.“
Kommunikation ist wichtig
Essenziell sei auch die Kommunikation mit den Mietern. Schließlich müsse man die Erfolge energetischer Ertüchtigungen aufzeigen. Eine sanierte Fassade oder eine modernisierte Gebäudehülle verlange ein verändertes Heiz- und Lüftungsverhalten. „Das muss den Leuten erklärt werden“, sagt er. Eine Reporting-Funktion der Software eigne sich hierfür bestens, denn so könnten Verbrauchszahlen und Entwicklungen übersichtlich dargestellt werden. Zudem brauche es einen offenen und vertieften Austausch zwischen den Wohnungsunternehmen, betont er. Man könne gegenseitig sehr viel voneinander lernen. Eines sei sicher: Um die vielen Daten zu verwalten, zu aktualisieren, zu validieren und anschließend mithilfe einer Software verschiedene Varianten durchzuspielen, wird einiges an Personalkapazitäten benötigt. „Man muss unbedingt den nötigen personellen Freiraum dafür schaffen“, empfiehlt WWS-Abteilungsleiter Stiller. Auch Technologieoffenheit sei ein wichtiger Faktor zur Erreichung der gesetzlichen oder auch eigenen Klimaziele.
Schritte zur Klimastrategie der WWS
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Dateneinspeisung der Verbrauchsdaten
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Bilanzierung der Verbräuche und Emissionen und Darstellung des Bestands
- Schaffung valider Datensätze (Anpassungen und Korrekturen)
- Implementierung neuer Daten auf Grundlage der validen Datensätze
- Consulting: Herausarbeitung weiterer Optimierungsmöglichkeiten
- Pilotprojekte zum Austesten von Energietechnik
- Klima-Roadmaps bezüglich Emissionen
- Klima-Roadmaps bezüglich Wirtschaftlichkeit
- Strategieentwicklung und Reporting