Sebastian Krieger, Leiter Kundengruppe Wohnen in NRW

Nachhaltigkeit als neuer Wirtschaftsfaktor: Der Einfluss von ESG-Kriterien auf Bankkredite und Handlungsempfehlungen für Wohnungsunternehmen.

Nachhaltigkeitsaspekte werden mit Blick auf strategische Unternehmensentscheidungen immer wichtiger – sowohl für Kreditgeber als auch für die Wohnungswirtschaft. Reportingpflichten nehmen für alle Marktteilnehmer zu und rücken die Transformation des Gebäudebestandes noch stärker in den Fokus.

Zielkonflikt: ökologische Nachhaltigkeit versus bezahlbares Wohnen

Eine der größten Herausforderungen für Wohnungsunternehmen in der aktuellen Zeit ist der Zielkonflikt aus ökologischer Nachhaltigkeit und der sozialen Frage des bezahlbaren Wohnens. Konkret bedeutet das: CO2-Emissionen senken, klimafreundliche Baustoffe entwickeln, Bestand energetisch sanieren und aufwerten und trotz allem Wohnraum zu bezahlbaren Mieten anbieten – die Aufgaben könnten nicht größer sein. Für die Finanzwirtschaft bedeutet das vor allem Kapital bereitzustellen, denn die nachhaltige Transformation ist auch in finanzieller Sicht eine Mammutaufgabe, die nur im Zusammenwirken zu meistern ist.

Durch die EU-Taxonomie ist klar: Banken haben in der Transformation die Aufgabe, Finanzströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken. Im Kreditentscheidungsprozess nehmen ESG-Kriterien aus diesem Grund eine immer größere Rolle ein. Entscheidend für die Frage, ob ein Projekt nachhaltig ist oder nicht, sind Daten – Daten, die nach objektiven Kriterien eine Einschätzung erlauben. Denn für die Kreditvergabe benötigen Banken bereits heute – und künftig umso mehr – eine aussagekräftige Datengrundlage zu energetischen Eigenschaften von Finanzierungs- und Beleihungsobjekten, Investitionsplanungen und Mietentwicklungen sowie Informationen zur Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen.

Einfluss von ESG-Kriterien nimmt zu

Auch in der Immobilienbewertung nimmt der Einfluss von ESG-Kriterien weiter zu. Bereits heute ist – neben der Einschätzung der Lage des Gebäudes unter Berücksichtigung von physischen Klimarisiken – der Energieausweis zur Beschreibung der energetischen Gebäudequalität das obligatorische „Königsdokument“ und wird im Kreditprozess künftig entscheidungs- oder sogar auszahlungsrelevant sein. Darüber hinaus sind auch künftige Entwicklungen wie beispielweise die Wirkung transitorischer Risiken oder bei Neubau und Sanierung physische Risiken, Lebenszyklus, Kreislaufwirtschaft oder Baumaterialien im Bewertungs- und Kreditentscheidungsprozess zu berücksichtigen. Klima- und Umweltrisiken können den Sicherheitenwert von Immobilien negativ beeinflussen und somit mögliche Beleihungsspielräume mindern, wobei bei Objekten älterer Baujahre mit unterdurchschnittlichen Mieten und schlechter Energieeffizienz die größten Auswirkungen zu erwarten sind. Letztendlich liegt damit die Identifikation von physischen wie transitorischen Risiken – hervorgerufen durch den Klimawandel direkt und die nachhaltige Transformation als Maßnahme gegen ihn – nicht etwa nur im Interesse der finanzierenden Bank, sondern in erster Linie im Interesse des Wohnungsunternehmen zur Sicherung der zukünftigen wirtschaftlichen Performance.

Wohnungsunternehmen sollten daher den Ausbau von Steuerungsprozessen zur Identifikation von ESG-Risiken im Bestand und die Implementierung eines entsprechenden Datenhaushalts vorantreiben und zum festen Bestandteil der Unternehmensstrategie machen, um im Rahmen der Finanzierung von Transformationsmaßnahmen auf künftige Anforderungen der Finanzwirtschaft vorbereitet zu sein. Als Bank arbeiten wir aktuell daran, gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft die neuen regulatorischen Anforderungen in handhabbare Prozesse zum Datenaustausch zu übersetzen.

 

Von Sebastian Krieger, Leiter Kundengruppe Wohnen in NRW