Strategische Quartiersentwicklung durch Wohnungsbaugesellschaft Kremmen
10 May 2021

In der Tradition der „Platte“ – aber ökonomisch und ökologisch zeitgemäß
Lange galten die Plattenbauten der ehemaligen DDR als städtebauliches Relikt ohne Zukunft. In Kremmen (Brandenburg) zeigt aber die dortige Wohnungsbaugesellschaft (WOBA) an einem Neubauprojekt fast schon exemplarisch, wie die ökologische und ökonomische Entwicklung solcher Quartiere architektonisch aussehen kann: Die WOBA erweiterte den vorhandenen Bestand von drei „Platten“ an der Ruppiner Chaussee jetzt um einen Neubau mit zwölf Wohneinheiten. Der zitiert zwar die architektonischen Stilmittel seiner traditionsreichen Nachbarn, bietet gleichzeitig aber die aktuellen Wohnstandards und ist trotz konventioneller Bauweise durch eine für solche Objekte noch außergewöhnliche Wärmepumpen-Hybrid-Lösung für die Wärme- und Warmwasserbereitung ressourcenschonend.
Die Kleinstadt Kremmen in Brandenburg mit ihren rund 7.500 Einwohnern, davon 3.500 im Ortsverbund, liegt etwa 40 km Luftlinie nordwestlich von Berlin-Mitte in Höhe von Oranienburg mitten im Havelland. Zu weit entfernt von der Metropole, um noch im „Speckgürtel“ verortet zu werden. Aber nicht so ländlich, dass – wie andernorts – ein signifikanter Rückgang der Einwohnerzahlen zu verzeichnen wäre. Eher im Gegenteil. Entsprechend strategisch entwickelt die Wohnungsbaugesellschaft Kremmen (WOBA) ihren Bestand: Substanzerhalt steht im Vordergrund, flankiert durch behutsame Stadterneuerung und -entwicklung. Perspektivisch jedoch immer mit dem Blick, für den sich abzeichnenden zusätzlichen Wohnraumbedarf schon heute eine tragfähige Lösung zu bieten.
Dazu gehörte beispielsweise die haustechnische und energetische Sanierung der drei Plattenbauten an der Ruppiner Chaussee, also Bestandsaufwertung. „Sie sind“, sagt WOBA-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Eckhard Kuhn, „wie alle unsere Objekte eigentlich immer vollvermietet. Fluktuation gibt es kaum.“ Was genauso für die Wohnform wie für die Nachbarschaft spricht – und für Eckhard Kuhn Grund genug war, bei der anstehenden Weiterentwicklung des Quartiers (s. Kasten) an die gewachsene Bebauung im Verbund direkt anzuknüpfen.
Der jetzt fertiggestellte Neubau, mit drei statt fünf Vollgeschossen, greift dabei als architektonische Stilmerkmale der benachbarten „Platten“ beispielsweise die vertikale Gliederung durch die markanten, nun jedoch zurückgesetzten Treppenhäuser auf. Der Sockel ist reduziert, und das Walmdach mit minimaler Neigung kaum von den Flachdächern des Bestands zu unterscheiden. In Kombination mit einem durchgängigen Farbkonzept ergibt das Ganze eine Gesamtanmutung, durch die der flüchtige Betrachter kaum zwischen Neu- und Bestandsbauten zu unterscheiden vermag.
Ressourcen schonen
Spätestens beim näheren Hinsehen aber wird an den beiden in Kaskade geschalteten Außeneinheiten für die im Haustechnikraum installierte Wärmepumpe deutlich, wie weit sich der Geschossbau in der Tradition der „Platte“ im Verständnis der Investoren, der Wohnungsbaugesellschaft als Betreiber und letztlich der Mieter selber als attraktives Wohnmodell weiterentwickelt hat: Obwohl „nur“ auf EnEv-Standard in Massivbauweise (Kalksandstein) auf Betonbodenplatte mit Perimeterdämmung errichtet, wird der Kremmener Neubau mit 740 m² Wohnfläche komplett über eine ressourcenschonende Hybridheizung aus Luft/Wasser-Wärmepumpe (Typ „flexoTHERM exclusive“; 15 kW Leistung) und Gas-Brennwertheizung (Typ „ecoTEC plus“, 40 kW Leistung; Hersteller: beide Vaillant) versorgt – während in den Nachbarblöcken ganz klassisch Gas-Brennwertanlagen die Komplettlast tragen.
Für Dipl.-Ing. Eckhard Kuhn aber hat die Investition in die Hybridtechnologie entscheidend etwas mit ökologischer Verantwortung zu tun, und mit der entsprechenden Grundhaltung seiner Mieter: „Es ist für uns einfach selbstverständlich, dass wir bei unseren Neubaumaßnahmen auch einen Beitrag zum sparsamen Umgang mit den Ressourcen leisten, also möglichst weitgehend auf regenerative Energien setzen. Das erwarten im Übrigen mittlerweile auch unsere Kunden.“
Gleichzeitig, so der WOBA-Geschäftsführer, seien aber natürlich auch hier immer die Gebote der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit zu beachten: „Durch die Hybridtechnik können wir die Wärmelasten fast komplett regenerativ über die Luft/Wasser-Wärmepumpe abdecken. Für die komfortable Warmwasserversorgung auf dem hygienisch notwendigen Temperaturniveau von 60/55 °C ist wiederum Gas-Brennwerttechnik die effizienteste Lösung.“ Wobei mit 40 kW Spitzenleistung aber auch immer noch genug Reserve bleibt, um bei besonders hoher Wärmeanforderung über den 1.000-Liter-Multifunktionsspeicher allSTOR plus zusätzlich die Heizung zu unterstützen.
Ein temperaturbezogenes Schichtladesystem sorgt dabei für eine optimale Ausnutzung der über die Wärmepumpe und/oder das Gas-Brennwertgerät sowie die Trinkwasserzirkulation und den Heizungsrücklauf zugeführte Energie.
Geringe Nebenkosten
Für die Mieter zahlt sich dieses Konzept aus. Nach ersten Schätzungen der WOBA liegen die Mietnebenkosten in dem vor Jahresfrist bezogenen Objekt bei nur knapp zwei Euro pro Quadratmeter, davon weniger als einer für die Wärmeerzeugung. Natürlich auch, weil statt der früheren Klassiker in der Wärmeverteilung (wie Einrohrheizung mit frei liegenden Steigesträngen sowie überdimensionierte Plattenheizkörper) hier natürlich ein zeitgemäßes Zwei-Rohr-Heizsystem mit Flächenheizung für die Wärmeverteilung sowie eine Zirkulation mit Stichleitung auf der Etage für die Warmwasserbereitstellung installiert wurden.
Den damit verbundenen Komfort wissen nicht nur Mieter wie Helmut (80) und Hildburg (76) Bliefert zu schätzen. Doch das Rentner-Paar hat den direkten Vergleich. Denn mehr als drei Jahrzehnte lebten die beiden Senioren nur ein paar hundert Meter weiter, in einem der Plattenbauten aus den 70er Jahren nebenan: „Als Betriebswohnungen waren die günstig und nahe am Arbeitsplatz. Durch den Neubau hatten wir jetzt aber die Chance, vom dritten Stock ins Erdgeschoss zu ziehen, das ist einfach bequemer.“ Und sicherlich auch schöner, mit Balkon und Fußbodenheizung, räumen die beiden freimütig ein. Aber die beiden Luftkollektoren der Wärmepumpe direkt vor ihrem Balkon, wie es damit aussehe? Die Antwort auf die Frage ist ein eher verständnisloser Blick: „Wir bemerken sie schlichtweg nicht – und sind auch definitiv nicht schwerhörig“, lacht Hildburg Bliefert.
Die technischen Werte des Herstellers bestätigen diesen Eindruck. Vaillant gibt als Schallleistungspegel maximal 49 dB(A) an. Zum Vergleich: Hörexperten geben das Geräusch von Regen oder von einem Kühlschrank mit etwa 55 Dezibel an, den Fernseher in Zimmerlautstärke sogar mit 65 dB (Quelle: Hoerex).
„Zwillingsbau“ schon in Planung
Nach einem Jahr Nutzungsphase steht für Dipl.-Ing. Kuhn auf jeden Fall fest, dass er das architektonisch und haustechnisch komplett selbst entworfene Neubauprojekt voraussichtlich 2022 ein paar hundert Meter weiter genau so noch einmal realisieren wird: „Mit Gestehungskosten von etwa 100.000 Euro pro Wohnung konnten wir, bei einem beträchtlichen Anteil Eigenleistung, zu wirtschaftlichen Konditionen zeitgemäßen Wohnraum schaffen, der in jeder Hinsicht passend den Bedarf am hiesigen Wohnungsmarkt bedient. Gleichzeitig wird das Quartier aufgewertet und die bestehende Bebauung verdichtet, ohne weitere Flächen versiegeln zu müssen – und erfüllen damit eigentlich schon heute das Leitbild für einen Geschosswohnungsbau, der aus gesellschaftlichen wie aus ökologischen Gründen künftig zweifellos zu einem allgemein anerkannten Standard werden wird.“
SHK-Meister Matthias Guse (li.), Gespräch mit Vaillant Kay Account-Manager Marco Richardt, sieht die Zukunft der Wärmeversorgung in Geschossbauten in Hybrid-Lösungen aus konventionellen und regenerativen Wärmeerzeugern.
Geschossbauten wärmetechnisch mit einer Luft/Wasser-Wärmepumpe zu versorgen, wird von vielen Betreibern und Investoren immer noch kritisch gesehen. Gleichzeitig stehen sie aber vor der Notwendigkeit, gemäß Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG; künftig Gebäudeenergiegesetz GEG) regenerative Energien einbinden zu müssen. Einen Ausweg aus diesem Zielkonflikt bieten Hybrid-Lösungen, also die Kombination von Luft/Wasser-Wärmepumpe mit effizienter Gas-Brennwerttechnik, wie sie Fachhandwerksmeister Matthias Guse mit seinem Team auch im Neubau der WOBA-Kremmen realisiert hat.
Herr Guse, was sind für Sie die technisch überzeugenden Argumente für solche Hybridlösungen?
In der Wärmeversorgung von Geschossbauten haben wir einen klassischen Zielkonflikt: Wir müssen und wollen regenerative Energien nutzen, gleichzeitig fordert aber die Trinkwasserhygiene Systemtemperaturen von mindestens 60 °C. Das ist für Wärmepumpen, deren Leistung für den Heizwärmebedarf völlig ausreicht, in der Regel aber wirtschaftlich nicht darstellbar. In Kombination mit einer Gas-Brennwertheizung als bedarfsgerecht zuschaltender Wärmequelle ist der Zielkonflikt bei gleichzeitig niedrigen Betriebskosten aber direkt aufgelöst.
Die Betriebskosten sind das eine. Wie sieht es mit den Investitionskosten aus?
Hier gilt im Prinzip etwas Ähnliches, wie die WOBA mit ihrem Objekt an der Ruppiner Chaussee sehr schön bewiesen hat: Man muss die Aufgabenstellung in ihrer Gesamtheit sehen, also sämtliche Investitions- plus die Betriebskosten des Neubauprojektes. Die Aufwendungen für die Hybridlösung als Wärmepumpe und Gas-Brennwertgerät, also für die reine Heiztechnik, sind zweifellos höher als bei konventionellen Anlagen. Aber erstens hätten ansonsten Ersatzmaßnahmen finanziert werden müssen, zweitens wäre möglicherweise ein besserer Dämmstandard für die Gebäudehülle notwendig geworden, und drittens fielen die umlagefähigen Betriebskosten höher aus. Die Wohnungen wären also schwieriger zu vermarkten. In der Gesamtbetrachtung zahlt sich die Hybridtechnik also auf jeden Fall aus. Hinzu kommt die hohe Versorgungssicherheit durch das Anlagen-Doppel, das zumindest bezüglich der Grundlast redundant funktioniert.
Mehr Informationen unter
www.WOBA-kremmen.de
www.vaillant.de